(Artikel von Peter Panitz im Studentenblatt "ad rem", Dresden)

Auf der Suche nach dem Feind

Die inoffizielle Manöverkritik eines Augenzeugen

Schon immer war die Sächsiche Schweiz beliebte Kulisse für Fotobildbände, Kataloge, Kalender und ähnliches. Nüchtern betrachtet war es damit nur eine Frage der Zeit, bis ein orientierungsloser Verein an und über den Sandsteinfelsen seine Orientierung wiederfinden würde.
Die Bundeswehr tat das vom 12. bis 16. Oktober rund um Papstdorf. Die nach Karl May anmutende Kulisse schien hervorragend geeignet, um die besten Bilder zum Promoten einer gerade neu gebildeten Truppe zu machen. Denn nicht die Beschützer unserer Heimat (sogenannte Heimatschutzbrigaden) sollten sich am sächsischen Fels stählen, sondern Krisenreaktionskräfte, die Truppe, die weltweit (böse Zungen sagen, im Auftrag der deutschen Wirtschaft) nach dem Rechten sehen soll.
Naturgemäß erhob sich ein Sturm der Entrüstung unter den als solche bezeichneten notorischen Verhinderern, Krachmachern und arbeitsscheuen Studenten. Die meinten, daß tieffliegende Hubschrauber und Transallmaschinen, kleine Panzer und sonstiges Kriegsgerät nicht in einer solch sensiblen Region zum Einsatz gebracht werden dürften. Die kaum verhohlene Erklärung, daß die Übung eh nur der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit diene, schweißte Naturschützer und Militärgegner dann endgültig zusammen.
Am 16. Oktober war schließlich Manöver-Day, und die Bundeswehr lud Presse und VIPs zur Vorführung ihrer Fähigkeiten ein. Letzteren muß es doch ein wenig peinlich gewesen sein, denn nur ein paar Bürgermeister und untere Ministeriale ließen sich zu einem Besuch hinreißen. In Busse gepackt und nach Reinhardtsdorf-Schöna gekarrt, sollten sie dort aus dem Himmel fallende Fallschirmspringer bewundern. Diese trauten sich jedoch aus ihrer Transall gar nicht heraus. Angeblich weil es zu windig war. (Der Gedanke, was passiert, wenn es im Krieg windig ist, läßt das Vertrauen in unsere Fallies dann schon sinken.) Böse Zungen behaupteten aber, es hätte wohl mehr an 99 Luftballons gelegen, die voll mit Helium am Himmel 99 Düsenflieger suchten.
Nun war es die Sache von 140 deutschen und 20 tschechischen Soldaten, in der Nähe von Papstdorf auf freiem Feld per Luftlandung und Sturm einen imaginären Feind zu besiegen. Zuerst einmal mußten die per Bus transportierten Zuschauer noch ein wenig laufen, weil sich ein paar unverbesserliche Protestler auf der Zufahrtsstraße ausruhten. Währenddessen ließen Kinder unbekümmert auf der Wiese ihre Drachen steigen.

Drachensteigen, ...

Die Bundeswehr mußte schließlich die Polizei rufen, der es aber sichtlich schwer fiel, den Leuten zu erklären, warum man auf einer Wiese, die nicht als militärischer Sicherheitsbereich gekennzeichnet ist, keine Drachen steigen lassen darf. Als dann endlich die Landung der Hubschrauber begann, die wie im schlechten Vietnamkriegsfilm ein paar schwerbepackte Jungs raussetzten und in einer stolzen Biege davonflogen, schauten die Journalisten gerade woanders hin. Ein paar Krachmacher hatten nämlich ihr Megaphon (kombiniert mit alter ZV-Sirene) angeworfen und erläuterten den Zuschauern den Sinn und Unsinn der Bundeswehr.
Einige Feldjäger (Militärpolizei) wollten Hand anlegen, mußten sich aber mit zerknitterter Mine den Verweis auf die Rechtslage gefallen lassen, wonach sie nur im militärischen Sicherheitsbereich zugreifen dürfen. Den hatten sie ja vergessen zu kennzeichnen.
Nun ging es weiter zum Felsen Große Hunskirche. Während ein Teil der Protestler noch einmal den Konvoi blockierte und von der Polizei unter Verschleiß verschiedener Kleidungsstücke von der Straße geräumt wurde, blockierten andere schon wieder den Zugang zur Großen Hunskirche, an dem die Übung zu ihrem Höhepunkt gelangen sollte. Der Felsen allerdings war mittlerweile zum Ergötzen der hinzukommenden Protestler - nach Aufruf der TU-Sektion des Deutschen Alpenvereins - und zum Ärger der Herren Offiziere über und über mit Kletterern besetzt.
Im Laufe des Tages hatte dies die Einsatzleitung dazu veranlaßt, ihre Abseilübung ans Massiv zu verlagern, was ihnen sofort eine Anzeige einbrachte (Klettern und Abseilen ist in der Sächsichen Schweiz nur an Gipfeln, die einzeln stehen und mindestens 10 m hoch sein müssen, erlaubt). Daraufhin wurde die Übung an die nebenan stehende Kleine Hunskirche verlegt, wo die mit Hunden bewaffnete Polizei entgegen vorheriger Versprechen der Bundeswehr keinen Kletterer mehr hinauf ließ.
Aber auch hier ging's zum Leidwesen der Offiziere, denen sich schon "die Faust in der Tasche ballte" (Oberst Günzel in der SZ vom 17.10.96), nicht reibungslos. Es gab Sirenenlärm, fotogerechtes Gerangel mit der Polizei und massenhaft Transparente. Die Gebirgsjäger zogen ihre Übung durch, hinterließen auf den Felsen 3 cm tiefe Seilrinnen (dafür brauchen Kletterer Jahre) und seilten sich vom Hubschrauber überhaupt nicht schonungsvoll mitten in eine stark erosionsgefährdete Schonung ab. Ein paar blutige Soldaten beschwerten sich hinterher über angeblich gespannte Seile, über die sie gefallen wären - Kriegsspielen ist scheinbar gar nicht so unblutig ...
Bleibt noch zu sagen, daß die Polizei nach dem Verschwinden der Presse sich bestimmte Protestler einzeln rauszog und mitnahm. Dabei kam es noch zu Rangeleien mit deren Feunden, die sie nicht loslassen wollten.

... und Hoffnung

Tage später entschuldigten sich Offiziere per dpa für die Unterschätzung "der Sensibilität der einheimischen Bevölkerung". Ob die Bundeswehr trotz des nun noch schlechteren Images nun öfter in der Sächsischen Schweiz üben will, ist offen.

Peter Panitz

PS: Der Autor ist der Hoffnung, daß in diesem Fall dann wieder 99 Luftballons fliegen werden und die Suppe der Bundeswehr wieder sehr salzig schmecken wird.